Fachkräfte aus Pädagogik, Sozial- und Jugendarbeit sowie Psychologie und Psychotherapie trafen sich am 4. Juni 2024 im Bürgerzentrum in Köln-Ehrenfeld, um in einer öffentlichen Veranstaltung die Folgen der Corona-Pandemie für Kinder und Jugendliche in den Blick zu nehmen.
Nach einer Darstellung der derzeitigen Lage in Schulen, Kitas, in psychologischen und psychotherapeutischen Praxen, in Jugendzentren und der mobilen Jugendarbeit ging es anschließend darum, konkrete Forderungen an die Politik zu formulieren. Hier ein kurzer Blick auf das intensive vierstündige Treffen.
Nachdem am Morgen circa 50 Gäste vor Ort und etwa 40 Gäste digital eintrafen, eröffnete der Moderator Stefan Godehart-Bestmann das Fachtreffen mit der Vorstellung der Beteiligten. Organisiert hatten den Runden Tisch:
Reinhard Mann, Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Kinder- und Jugendgesundheit (DIKJ), stellte die Idee der Veranstaltung kurz vor.
Auch Barbara von Eltz und Sandra Anders von transfer e.V. begrüßten alle Gäste.
Weitere Organisatoren waren Markus Klein von den Falken Recklinghausen, Prof. Dr. Steffen Schaal von der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und Prof. Dr. Petra Wagner von der Universität Leipzig.
Junge Menschen waren geladen, die von ihren persönlichen Erfahrungen berichten konnten. Diese kamen von der Kölner Bezirksschülervertretung (Bezirksschülervertreter Arda Caliskan), der Evangelischen Jugend Schlebusch (Stefan Lapke), der Jugendwerkstatt Ehrenfeld, dem Albertus-Magnus-Gymnasium in Bergisch-Gladbach sowie der Europaschule Köln.
Die Folgen von Lockdown, Kontakteinschränkungen etc. für Kinder und Jugendliche
In einem ersten Teil wurde mithilfe von Kurzbeiträgen aus Sicht der Forschung und Praxis beleuchtet, wie es während und nach der Pandemie um die Lage der jüngeren Menschen in Deutschland bestellt war. Schnell wurde klar, dass Lockdowns, Kontakteinschränkungen, ständige Unsicherheiten und essenzielle Einschnitte in das Alltagsgeschehen ihre Spuren hinterlassen haben.
Die Schulbildung hat gelitten, gesundheitliche Beeinträchtigungen haben zugenommen, und Verhaltensprobleme sowie psychische Störungen sind häufiger geworden. Die Zahl der Hilfesuchenden hat sich dramatisch erhöht, teilweise auf den sechsfachen Wert im Vergleich zurzeit vor der Pandemie. Diese und weitere Zahlen wurden bereits in Studien aus dem Jahr 2021 erhoben, was seither eine drastische Ausdehnung der Problemlagen befürchten lässt.
Forderungen an die Politik
Ab Mittag wurde in Kleingruppen (im digitalen Raum parallel zur Präsenzveranstaltung) zu den folgenden drei Themen Forderungen an die politische Ebene erarbeitet:
Forderungen zur Stärkung und Förderung von Strukturen und Fachkräften bzw. Einrichtungen,
Forderungen zur Stärkung und Förderung zur Gesundheitsförderung und Prävention bei Kindern und Jugendlichen sowie
Forderungen zur Stärkung und Förderung der Behandlung/Therapie von Kindern und Jugendlichen.
Für die Übermittlung der Forderungen an die politische Ebene im Bund und den Ländern wurde die „Kölner Erklärung“ (PDF 130 KB) aufgesetzt. Falls notwendig, wird diese in eine Petition gewandelt, um den nötigen Druck zu erzeugen.
Bewährte Programm und Aktionen fördern!
Man wurde sich darüber einig, dass ein „Ende der Projektitis“ (Petra Wagner, Universität Leipzig) eine Grundvoraussetzung für den effektiven Umgang mit den benannten Herausforderungen darstellt. Des Weiteren müssen bereits etablierte Projekte und Aktionen (wie beispielsweise das Gesundheitsförderungsprogramm GUT DRAUF, „Gemeinsam.Gesund.Wachsen.“ oder das Bundesprogramm „Sprachkita“) finanzielle Unterstützung erfahren, um wertvolle Arbeit leisten und die jungen Menschen in Kooperation mit den Institutionen fördern zu können. Es mangele nicht an wirkungsvollen und zielgerichteten Angeboten, sondern an Geldmitteln. Ohne eine solche Finanzierung könne keine Hilfe ankommen oder nachhaltig wirken.
Gesundheit als Schulfach
Aus- & Weiterbildungen müssen an die neuen Anforderungen und Bedarfe aus der Praxis angepasst werden, insbesondere im Bereich der „Ersten Hilfe“ für mentale Gesundheit. Es wäre gewinnbringend, Gesundheit als Schulfach zu etablieren. Dies darf jedoch nicht zulasten der ohnehin stark beanspruchten Lehrkräfte passieren, sondern sollte von externer Seite organisiert werden (z. B. durch „Gemeinsam.Gesund.Lernen.“). Die Zielgruppe muss aktiv an den Prozessen beteiligt werden. Voraussetzungen und Angebote müssen transparenter und niedrigschwelliger gestaltet sowie enttabuisiert werden, um gefährdete Kinder und Jugendliche zu erreichen.
Statements zum Runden Tisch
Zum Ende des Runden Tischs wurde in Form einer Podiumsdiskussion die Haltung einiger Stellvertreter und Stellvertreterinnen zu dieser Veranstaltung abgefragt sowie noch einmal zusammengefasst, welche Punkte in das Schreiben an die Politik aufgenommen werden müssen. Jürgen Meyer von der GUT DRAUF-Tanke (mobile Jugendarbeit in Eitorf) stellte klar: „Aufmerksamkeit ist heilsam, es braucht dafür Begegnungsstätten.“ Eine Jugendliche von der Schüler:innenvertretung des Albertus-Magnus-Gymnasiums erzählte, dass das Thema mentale Gesundheit während der Coronazeit kaum präsent gewesen sei, weshalb die Eigeninitiative der Schüler:innen gefragt war. Die heutige Veranstaltung gebe ihr Mut und Hoffnung, dass das Versäumte nun schrittweise aufgeholt werden kann.
Text: Ruth Bennemann, Fotos: Sarah Töpperwien
Info:
Der WDR berichtete in einem Nachrichtenbeitrag (www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/folgen-pandemie-kinder-jugendliche-koeln-100.html) und zwei Radiointerviews vom Runden Tisch.
Am Abend wurde Reinhard Mann für die Lokalzeit aus Köln zu einem Interview eingeladen, um von der Veranstaltung zu berichten. Diese Sendung ist abrufbar unter www.ardmediathek.de/video/lokalzeit-aus-koeln/lokalzeit-aus-koeln-oder-04-06-2024/wdr-koeln/ (Minute 11:15 bis 18:00).
Hintergrund:
Studienergebnisse: Pandemiefolgen bei Kindern und Jugendlichen
Eine Übersicht relevanter Studienergebnisse zu den Folgen, die die Pandemie bzw. die Pandemiemaßnahmen auf das psychische und psychische Befinden von Kindern und Jugendlichen in Deutschland hatte und noch hat.